Sizilien – der Osten – Von Messina nach Syrakus

Sizilien – alleine das Wort klingt schon nach strahlendem Sonnenschein, endlosen Zitronenhainen und kristallklarem Wasser. Aber unwillkürlich denkt man auch an die Mafia, an Korruption und verlassene, verarmte Bergdörfer. Wir haben uns im Vorfeld unserer Reise in die südlichste Region Italiens kaum auf die größte Mittelmeerinsel vorbereitet, wir wollen uns überraschen lassen. Noch nicht mal eine Straßenkarte haben wir. Und um es gleich zu sagen: Die Insel hat uns in ihren Bann gezogen. Vom ersten Moment an, als wir in Messina von der Fähre fahren, ist es da – das Gefühl von dolce vita, von Sinnlichkeit und Lebensfreude. Und es sollte uns während der ganzen Zeit nicht verlassen, im Gegenteil. Deshalb bleiben wir anstatt der geplanten acht auch fünfzehn Tage auf dieser herrlichen Insel und unsere Reise führt uns im Uhrzeigersinn einmal rund um Sizilien. Mit kurzen Abstechern ins Landesinnere.

Dem Ätna so nah

Schon auf der Fähre haben wir uns einen Stellplatz ausgeguckt. Nur eine gute Stunde südlich von Messina, kurz hinter Piedimonte Etneo, gibt‘s das Agriturismo Etna Wine, das vier Stellplätze bereithält. Zuvor haben wir uns an einer Raststätte die einzige dort vorhandene Michelin-Karte von Sizilien gekauft, denn so ganz planlos wollen wir doch nicht über die Insel fahren. Glück gehabt. Wir kommen im Dunklen an, können nicht viel sehen, wissen nur, dass der Platz unterhalb des Ätnas liegen soll. Schnell den Disco ausgerichtet und dann erst einmal ins kleine, angeschlossene Restaurant. Dort gibt‘s heute, am Sonntag, nur Pizza, aber was für eine! Und der vino de la casa passt hervorragend dazu. Nach zweimal un mezzo litro, per favore, sind wir wirklich bettschwer und klettern die Leiter ins Bett hoch. Um am Morgen mit einem herrlichen Blick auf den Ätna belohnt zu werden. Und was wir am Abend vorher aufgrund der Dunkelheit nicht gesehen haben, das Agriturismo hat einen tollen Pool inmitten tausender Olivenbäume und mindestens ebenso vieler Weinstöcke. Ein perfekter Platz für Frühsport und einige Stunden Arbeit am PC und anschließendem Sonnenbad – vollkommen ungestört. Denn die Fahrer des VW-Busses, der außer uns dort steht, lassen sich nicht blicken. Der Luxus des Reisenden in der Vorsaison.

Wenn eine Insel im Blütenmeer versinkt

Zwei Tage später geht es dann weiter, erst mal Richtung Ätna. Aber vorher kaufen wir noch im kleinen Laden des Agriturismos einen Liter natives Olivenöl und einige Flaschen vom Vino. Wir fahren eine schmale, kaum gekennzeichnete Straße, schrauben uns immer höher, winken Feldarbeitern zu, die lachend zurückwinken und kommen irgendwann an eine Schranke. Das war’s. Ab hier hieße es laufen. Aber dafür ist es uns zu heiß. Stattdessen knipsen wir, was das Zeug hält. So begeistert sind wir von den Farben. Jetzt im Mai versinkt das Land in einem Blütenmeer aus gelbem Ginster, roten Rosen und anderen, uns unbekannten Pflanzen. Es summt und brummt um uns herum und der Geruch von der dunkelbraunen, warmen Erde, vermischt mit den Blütendüften, ist schier überwältigend.

Unterwegs entlang der Alcantara

Doch wir wollen heute noch nach Taormina. Und am Agriturismo hat man uns von der Alcantara-Schlucht erzählt. Dass sie absolut sehenswert sei. Da sie sowieso auf unserer einsamen Route liegt, wollen wir uns dieses Naturwunder ansehen. Und so fahren wir langsam Richtung Castiglione di Sicilia, halten immer wieder an, um zu fotografieren und die eine oder andere Orange zu stibitzen. In den engen Gässchen des Ortes verfahren wir uns prompt und werden von einer liebenswürdigen alten Sizilianerin in nahezu perfektem Deutsch angesprochen. Ob sie uns denn helfen könne? Dankbar und vollkommen überrascht nehmen wir ihre Wegbeschreibung an und eine knappe halbe Stunde später sind wir an der Schlucht angekommen. Die Schlucht wurde vom gleichnamigen Fluß über Tausende von Jahren ins das Lavagestein gegraben und bietet spektakuläre, bis zu 25 Meter hohe schroffe, dunkelgraue Felswände. Spektakulär sind sie auch wegen der bizarren Formen, die das mineralstoffhaltige Wasser geformt hat. Ein Eldorado für Fotografen. Und auch Bruno kommt voll auf seine Kosten.

Taormina, der Traum über dem Ionischen Meer

Abends in Taormina erleben wir ein anderes Spektakel, das der Promenierer, der Müßiggänger und Genießer. Das Städtchen zieht seit jeher Touristen an, doch jetzt im Mai merken wir noch nicht so viel davon. Wir schlendern durch die Straßen unterhalb des Amphitheaters, schnuppern in Geschäften an Gewürzen und Ölen, verdrehen uns die Hälse nach pittoresken Balkonen, lassen uns Düfte aufsprühen, die nach Bergamotte, Zedernholz und auf wundersame Weise nach Sizilien riechen und kehren schließlich in einem der vielen kleinen Restaurants ein. Wir essen gegrillten Schwertfisch, ein Fisch, der uns noch häufig auf dieser sonnigen Insel begegnen wird.

Syrakus, Zeugin vergangenen Glanzes

  Ich möchte mehr alte Steine sehen. Richtig alte. Von einer früheren Reise nach Sizilien kenne ich die großartigen Altertümer dieser Insel und bin gespannt, ob diese Tempelanlagen immer noch so überwältigend sind. Ich stelle mir vor, wie Sizilien zu Zeiten der griechischen Herrschaft ausgesehen haben könnte. Wie stolz Syracus wohl einst gewesen sein muss, als sie die Hauptstadt des alten Griechenlands war. Bedeutender als das damalige Athen. Mit unzähligen Brunnen und Tempelanlagen. Solche wie zum Beispiel den Apollo-Tempel oder den der Athena, der irgendwann im Mittelalter als Grundstein für eine Kirche genutzt wurde. Beindruckt schlendern wir durch die engen Gassen der Altstadt Ortygia und lassen uns treiben. Immer wieder mit dem Blick nach oben, zu den zierlichen, rosengeschmückten Eisenbalkonen. Trinken bei einem fahrenden Händler einen frisch gepressten Orangensaft aus den zuckersüßen, kleinen Tarroco-Orangen. Lassen uns von ihm erklären, dass dies die besten Orangen Siziliens sind und geben ihm nach dem ersten Schluck Recht. Besuchen die Arethusa-Quelle direkt am Meer, die inmitten eines Papyrus-Hains liegt. Der Sage nach entstand sie, als die Nymphe sich während der Verfolgung durch einen Jäger in eine Süßwasserquelle verwandelte. Genießen den Ausblick auf das Meer von einem der vielen Restaurants und denken beim Bummel über die Hafenpromende darüber nach, wie herrlich hier die Sonnenuntergänge sein müssen. Die Zeit vergeht wie im Flug und wir haben noch keinen Stellplatz für die Nacht. Also wird es Zeit uns einen zu suchen und nur ungern nehmen wir Abschied von dieser wunderschönen Stadt, in der sogar die Polizei etwas Besonderes ist. Sie fährt nämlich Lamborghini.

Dort, wo Tomaten und Paprika auf Straßen wachsen

  Wir haben Glück und finden einen Stellplatz, wieder auf einem Agriturismo, das Obst und Gemüse anbaut. Hier rund um Ragusa ist offensichtlich das Agrar-Zentrum der Insel. Das merken wir, als wir am nächsten Morgen weiter Richtung Süd-Westen aufbrechen. Eine Gemüseplantage reiht sich nach der anderen, alle bedeckt mit weißen Folien. Hätten wir eine Drohne, würden wir nur weiße Felder sehen. Sizilien im Schnee. Die Straßen werden enger, kurvenreicher und manch Fahrer eines Lieferwagens verschätzt sich da schnell einmal. Und so kommt es, dass wir um eine Kurve biegen und vor uns „Fallobst und –gemüse“ liegen sehen. Beim ersten Mal fahren wir an dem riesigen Haufen erntefrischer Paprika vorbei, nur um dann nach hundert Meter anzuhalten und auszusteigen. „Die können wir unmöglich liegen lassen“ meine ich. „Nein, auf keinen Fall“, meint mein Gatte und schon sammelt er auf. Drei, vier, fünf, sechs… „Genug, wir haben nicht so viel Platz in der Kühlbox“. „Egal“, sagt er. „Muss halt passend gemacht werden.“ Mit den duftenden Paprika im Heck fahren wir weiter, etwa einen halben Kilometer. Biegen um eine Kurve und fahren beinahe in einen Teppich aus roten Tomaten, die auf der Straße rumkullern. „Anhalten?“ „Anhalten!“ Bruno parkt in einem nahegelegenen Feldweg, während ich zu den Tomaten sprinte. Und wieder sammeln wir frisches Gemüse ein, etwa zwei Kilo Tomaten. „Jetzt müsste noch einer Basilikum verlieren“ unke ich. Ein Lieferwagen mit zwei Fahrern verlangsamt seine Fahrt und die beiden winken uns fröhlich zu, sicher erstaunt über das Bild, das wir abgeben. Zwei mit vier Händen voller Tomaten. „Unser Abendessen ist somit gesichert“, meint Bruno und ich überlege, welchen Topf wir nehmen können, der groß genug für diese Menge Gemüse ist.

Und immer mehr Meer

Weiter geht’s in den Süd-Westen, entlang kleiner, teils nur geschotterter Straßen. Immer dicht am Meer. Grobe Richtung Agrigent, zum Tal der Tempel. Doch zuvor können wir uns am Meer nicht sattsehen und fotografieren. Wusstet ihr, dass es im Süden Siziliens so lange, leere Strände gibt. Und dass das Meer hier so blau ist, dass es in den Augen fast schmerzt. Langsam rollen wir dahin, machen hin und wieder Pausen, genießen diesen Anblick. „Hier könnt‘ ich leben“, meine ich zu Bruno. „Das sagst du immer, wenn es dir irgendwo gefällt“, grinst er. Fortsetzung folgt. Links zu den genannten Orten: http://www.etnawineagriturismo.com/en/ http://www.italien-inseln.de/naturschutzgebiet/gole-dell-alcantara.html

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