Heute geht’s in eine Region der Steiermark, die wenigen bekannt ist. Dass dies kein Nachteil sein muss, erfahren wir bereits während unserer Anreise. Den Grimming mit seiner imposanten Südflanke vor Augen fahren wir auf der Ennstalstraße (B146) bis zur Abfahrt Gröbming, Sölkpass. Hier führt uns eine Landstraße über zunächst flacher Strecke Richtung Sölkpass. Dieser Pass verbindet seit 3000 Jahren das Salzkammergut mit der Weinregion um Graz, Schilcherland und noch weiter südlich Slowenien. Und so wurden über den knapp 1800 Meter hohen Pass auf einem Saumweg viele Handelsgüter in großen Fuhrwerkskolonnen transportiert. Die Bewohner der Südsteiermark warteten sehnsüchtig auf das Salz aus Hallein, während ihre nördlichen Nachbarn sich über den Wein aus dem Süden freuten.

Heute im Zeitalter der allseits herrschenden (Über)-Versorgung kaum vorstellbar, was die Menschen damals für Strapazen auf sich genommen haben, um ihre Lebensmittel zu erlangen.

Wir haben es heute einfach, das Auto bringt uns bequem auf die Passhöhe, wo eine kleine Kapelle den Reisenden zum Innehalten einlädt. Obwohl es Ende Mai ist, liegt hier oben noch Schnee und es bläst ein eisiger Wind. Keine schöne Aussicht für die geplante Tour zur Hornfeldspitze auf 2277 Meter. Also ein kurzer Besuch der Kapelle und der Informationstafel und dann fahren wir einige Kehren bergab, um von einem Parkplatz über die Kaltenbachalm und die drei Kaltenbachseen zum Deneck auf 2433 Meter zu laufen. Schnee im Mai, der Deneck im SölktalDiese Tour ist mit einer Länge von ca. neun Kilometern und insgesamt 873 Höhenmetern angegeben, also mittelschwer und soll etwa 2,5 Stunden dauern.

Zuerst geht es in Serpentinen mäßig steil aufwärts, bis der untere Kaltenbachsee erreicht ist. Dieser und seine beiden Brüder sind eiszeitliche Gletscherseen, die inmitten einer alpinen Fauna still daliegen. Nichts stört die Ruhe, nur ab und zu schrillt der Warnpfiff der Murmeltiere zu uns herüber.

Über Schneefelder, entlang eines heftig schäumenden Baches geht es zum mittleren Kaltenbachsee, um von dort durch ein Fenster zum oberen Kaltenbachsee zu gelangen.Der untere Kaltenbachsee, ein Erbe der Eiszeit

Hier gebe ich auf. Zu steil ist der Anstieg (24%), zu schlecht ausgeschildert der Pfad und zudem bläst ein rauher Nordostwind. Uli geht alleine weiter, durch das Fenster zum oberen Kaltenbachsee und zur Schafsspitze. Hier muss er erkennen, dass es bis zum Deneck noch mindestestens eine Stunde Anstieg ist. Zu lange, da es mittlerweile 16 Uhr ist. Auch er bricht ab und wir treffen uns am unteren See, zu dem ich mittlerweile abgestiegen bin.

Auf einer sonnigen Bank gibt es unser verdientes Picknick mit Traumblick auf den schneeumrandeten See und die gleißendhellen Gipfel des Deneck und Schafspitz. Wir meinen, dass die angegebenen 2,5 Stunden zu knapp bemessen sind. Unserer Meinung muss man 4-5 Stunden einplanen, zumal wenn man wie wir, häufig stehen bleibt, um zu fotografieren oder die atemberaubende Landschaft in sich aufzunehmen.

Dennoch sind wir vollkommen zufrieden und bewundern die üppige Pflanzenwelt, die -obwohl sie überwiegend aus Flechten und Moosen besteht – in ihrer Farbenvielfalt und Schönheit ihresgleichen sucht. Obwohl in Miniaturausgabe, eine einzigartige Farb- und PflanzenvielfaltNur die zähesten Pflanzen können in diesem rauen Klima überleben, Latschenkiefer und Alpenrose gehören dazu, Isländisch Moos und Krummsegge. Und hier und da leuchtet tiefblau der Enzian, wir können uns vor Begeisterung kaum halten und fotografieren, was die Kamera her gibt.

Mittlerweile ist es fast 18 Uhr und wir haben schon wieder Hunger. Und wir wissen auch, wo wir ihn stillen können. In St.Nikolai, dem Hauptort im Sölktal wollen wir zum Gasthof Sölkstub’n. Auf die Adresse stießen wir zufällig, als wir einen Tag zuvor in der Leopoldsmühle in Deutschlandsberg unser Kernöl und diverse Essige für die kommende Kochsaison kauften. Dazu an einer anderen Stelle mehr.

Die Wirtin des Gasthofs Sölkstub’n, Agnes Lemmerer, hat eine alte Kochkunst wiederaufleben lassen: das Kochen in der Holzkiste. Hier werden Speisen in ihrem eigenen Saft und bei einer geringen gleichmäßigen Temperatur vier Stunden sich selbst überlassen. Heraus kommen so wunderbare Gerichte wie Rostbraten mit Rotweinsoße oder ein Rindsgulasch vom Feinsten. Da ist es nur folgerichtig, dass Agnes Lemmerer Mitglied bei Slow Food Styria ist. Zwei gute Gründe, sie und ihr Essen kennen zu lernen.

Und unsere Erwartungen werden nicht enttäuscht. Das Gulasch zergeht auf der Zunge, der Salat mit Kräutern aus dem nahegelegenen 350-Jahre alten Jesuitenbauerngarten ist knackig und mit Blütenblätter bunt geschmückt. Und die Wirtin sprüht vor Temperament, wenn sie von der uralten Holzkistentradition schwärmt.

Zufrieden, gesättigt von der einzigartigen Landschaft und der genussreichen Bewirtung im Gasthof fahren wir durch die abendliche Bergwelt nach Hause. Die Sölktäler, ein Geheimtipp, den wir sicher in unserer Erinnerung behalten werden.