Die Entscheidung für das Gästehaus Ursula war goldrichtig. Es regnete die ganze Nacht. Wir genossen den Komfort. Die nassen Sachen hingen im Trockenraum und was morgens noch nicht trocken war, wanderte für 10 Minuten in den Trockner. Die Erfahrung von unseren letzten Trekking-Touren bestätigte sich. Am zweiten Morgen spürt man seinen Körper am meisten, es werden Muskeln beansprucht, die man sonst nicht braucht, der Milchsäurepegel ist signifikant erhöht und wir lachen über unseren leicht eirigen Gang zum Frühstücksraum. Dort treffen wir die beiden Schweizerinnen wieder und wechseln ein paar Worte. So gestärkt geht es auf die zweite Etappe, die schon wieder einen km länger ist, weil wir nun noch ein gutes Stück durch Blumberg zu laufen haben, das Stück, das der Mercedes gestern in zwei Minuten zurükgelegt hat.

 

Gott sei Dank verziehen sich die Wolken schnell. Wir ahnen schon jetzt, dass es ein wunderschöner Tag werden wird.

Schluchtensteig_2_EtappeDie eigentliche Tour durch die Wutachschlucht verläuft von der Wutachmühle zur Schattenmühle. Das ist auch das Tagesprogramm vieler Touristen. Meistens wird das Auto bei der Wutachmühle geparkt. Vo dort fährt ein Bus zur Schattenmühle und man wandert durch die Schlucht zurück. Das haben wir vor 2 Jahren auch schon gemacht und so freuen wir uns heute, den Weg in entgegengesetzter Richtung zu laufen.

Aber bis zur Wutachmühle sind es noch rund 6 km. Gut gelaunt starten wir Richtung Achdorf und schon direkt hinter Blumberg kommt das erste Highlight, die Schleifenbachwasserfälle. Wo einst die Feldberg-Donau vom eiszeitlichen Seebachgletscher als einer der Hauptquellflüsse der Donau entgegenströmte und eine tiefe Schlucht hinterließ, fließt heute der Schleifenbach mit seinem Wasserfall zurück zur Wutach. Das heißt aber für uns, auf Treppen und Leitern runter in die Schlucht und auf der anderen Seite wieder rauf. Nichts für Wanderer mit Höhenangst. Mit unseren großen Rucksäcken müssen wir auch sehr vorsichtig sein, denn durch den vielen Regen der letzten Nacht ist es glatt und rutschig, vor allem bergab. Gute Wanderschuhe sind hier ein unbedingtes Muss.

 

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Spätestens jetzt ist uns warm. Aber es folgt nun eine chillige Strecke auf breiten Wegen. Der Himmel wird immer blauer und wolkenloser und Achdorf ist nicht mehr weit. Von Achdorf aus kann man übrigens auch hervorragend eine Tagestour durch die Wutachflühen unternehmen. Es sind immer wieder die unverhofften kleinen Überraschungen, die solche Touren interessant machen. Teile der Strecke sind auch Bestandteil des Jakobswegs und so finden wir in Achdorf doch tatsächlich eine Pilgerherberge mit einem „Schlechtwetterraum“, einer Scheune mit Bierbänken und heißem Tee ausgestattet, die Wanderern bei schlechtem Wetter Schutz bietet. Mehr Komfort bietet hingegen die Scheffellinde – benannt nach dem Schriftsteller Victor von Scheffel  – ein recht einladend ausschauender Landgasthof. Hier zweigt unser Weg wieder von der Straße ab. Mit schönen Gedichten von Theodor Fontane und anderen Dichtern werden wir zurück in Richtung Wutach geführt. Der Weg führt zunächst nach Aselfingen. Auch hier heißt es, auf der Hauptstr. durch den Ort. Hinter Aselfingen überqueren wir die Wutach, um nun mehr oder weniger parallel zum Fluss bis zur Wutachmühle zu wandern. Der Schluchtensteig ist jetzt bis auf weiteres identisch mit dem Freiburg-Bodensee-Querweg und dem europäischen Fernwanderweg E1. Die Strecke ist zunächst unspektakulär, ein asphaltierter Landwirtschaftsweg scheint nicht enden zu wollen. Irgendwann wird daraus ein Schotterweg mit Grasnarbe und plötzlich zeigt ein Wegweiser Richtung Wald. Doch zu früh gefreut, die Waldwege entpuppen sich teilweise als schlammig, rutschig und manchmal nur schwer begehbar. So sind wir erst zur Mittagszeit an der Wutachmühle und haben für die ersten 6 km recht viel Zeit gebraucht.

 

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In der Nähe der Bushaltestelle befindet sich an der Straße eine Einkehrmöglichkeit, ein Kiosk mit einigen Bierbänken davor. Die beiden Schweizerinnen sitzen schon da und lassen es sich schmecken und auch Barbara und Jochen aus Hamburg treffen wenig später hier ein. Der Kiosk wird hauptsächlich von Motorradfahrern frequentiert und vermutlich von den Schluchtensteig- und Wutachschlucht-Wanderern. Wir bestellen uns jeder eine Apfelschorle und relaxen etwas. Bevor es weitergeht, möchten wir noch unsere Wasserflaschen auffüllen lassen und haben jetzt das erste Negativ-Erlebnis der Tour. Die Kioskbesitzerin wollte tatsächlich 50 Cent pro Flasche für das Auffüllen mit Leitungswasser und das, obwohl wir Geld dagelassen haben. Wir lehnen dankend ab und heben uns den Rest der Apfelschorle für unterwegs auf. Hier wird man uns so schnell nicht wiedersehen. Dieser Kiosk bekommt ein klares Nicht-Empfehlenswert.

Schluchtensteig_2_Etappe_Kiosk_WutachmühleSchluchtensteig_2_Etappe_Barbara_Jochen_HamburgJetzt beginnt die eigentliche Wanderung durch die Wutachschlucht. Es ist Sonntag und dementsprechend viel los. Wir bestaunen so manches Outfit, das uns entgegen kommt. Weiße Turnschuhe, schnieke Handtäschchen, edle Parfüms. Bei manchen Grüppchen denken wir, die haben sich direkt nach dem Gottesdienst schön angezogen auf einen kleinen Sonntagsspaziergang begeben. Streckenweise kann man die Natur vor lauter Cool Water nicht mehr riechen. Natürlich ernten wir mit unseren großen Rucksäcken die gleichen verständnislosen Blicke, manchmal aber auch einen Hauch von Bewunderung. Die Wutachschlucht ist eher noch rutschiger und glitschiger als die Wege vorher und Gott sei Dank gibt es außer uns doch noch viele Wanderer mit guten Schuhen, sonst hätte der Ranger einiges zu tun. Nicht umsonst ist die ganze Schlucht in Abschnitte eingeteilt, jeweils mit einem Buchstaben versehen, damit im Notfall eine Rettungsaktion schnell greifen kann. Sonntag ist sicher nicht der empfehlenswerte Tag für diesen Teil der Strecke, ließ sich aber für uns nicht anders machen und so nehmen wir es gelassen und warten geduldig an den Engpässen, bis der Gegenverkehr passiert hat. Biber lassen sich an einem solchen Tag natürlich auch nicht sehen, aber es soll sie geben und wenn man Glück hat, kann man sie auch bei ihrer Arbeit beobachten.

In der Schlucht rücken steile Wald- und Felsflanken eng aneinander. An manchen Stellen verläuft der Wanderweg nur noch auf schmalen Vorsprüngen zwischen senkrechter Felswand und reißendem Fluss. Man läuft mal direkt am Fluss, dann wieder hoch oben in den Felsen, mal durch lichten Laubwald, dann wieder durch dichten Urwald und immer begleitet von den Lichtspielen der Sonne, wenn sie durch das dichte Blätterdach dringt. Eine eindrucksvolle Landschaft.

Wir haben noch 13 km vor uns bis zur Schattenmühle, unserem Tagesziel. Wir passieren den alten und den neuen Rümmelesteg und laufen abwechselnd rechts und links der Wutach bis zur Schurhammerhütte. Wir haben Hunger, brauchen eine Pause und wollen hier Würstchen grillen. Das Glück ist mit uns, wir finden Platz an einem der gut frequentierten Picknickplätze. Das Feuer an der Grillstelle ließ sich leicht wieder in Gang bringen und während Dagmar den Tisch deckt, grille ich leckere Merguez-Würste von unserem Metzger. Während wir es uns schmecken lassen, brechen alle anderen auf – auch die Hamburger hatten hier eine Pause eingelegt – und plötzlich sind wir allein, himmlische Ruhe an einem sonnigen Nachmittag in der Wutachschlucht, das versöhnt.

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Es ist schon nach 16 Uhr und wir glauben, dass wir nun die letzten sind auf dem Weg zur Schattenmühle. Tatsächlich begegnen wir auch nur noch einem Paar, das uns überholt und zwei Wanderern, die uns entgegenkommen. Am Tannegger Wasserfall füllen wir unsere Wasserflaschen auf, das eiskalte Wasser schmeckt recht gut. Mit nassen Hosenbeinen geht es weiter. In der Nähe des ehemaligen Dietfurter Hofes führt eine Brücke über die Wutach direkt zu einem Grillplatz, ideal für eine kurze Pause und einen letzten Kaffee vor dem Endspurt zur Schattenmühle. Die Rucksäcke wiegen auf den letzten Kilometern der Tagesetappe gefühlt immer das Doppelte und auch der Weg entlang der Wutach verläuft auf schmalen Pfaden über unendlich viele dicke Baumwurzeln.

Auch haben wir noch keine Idee, wo wir unser Zelt aufschlagen können und das macht uns etwas unruhig. Kurz vor der Schattenmühle sehen wir bereits ein Zelt in einem Garten stehen, „kein schlechter Platz und direkt am Wasser“ denken wir uns, doch im Haus gegenüber macht uns niemand auf, sodass wir nicht fragen können. Also erstmal in die Schattenmühle, es ist 19 Uhr, wir sind die letzten, Schweizerinnen, Hamburger, alle schon da …und beim Abendessen. Erschöpft bestellen wir erstmal ein Weizenbier. Dagmar will keinen Meter mehr weiter und so erkundige ich ohne Rucksack die Gegend. Wenig später werde ich fündig. 100m entfernt gibt es einen Wanderparkplatz mit Bänken und Grillstelle….und an diesen schließt eine schöne Wiese an mit direktem Zugang zur Wutach. So können wir entspannt noch einen Salat essen, um mit Einbruch der Dunkelheit weit hinten und uneinsichtig von der Straße auf der schönen Wiese unser Zelt aufzuschlagen. Kaum ist es dunkel – gegen 21 Uhr – schlafen wir auch schon glücklich und zufrieden ein, denn um 6 Uhr klingelt das Handy zur 3. Etappe. Wir freuen uns schon auf ein Frühstück bei Sonnenaufgang.

 

Länge der Tour: 20 km